L-TV. So hieß die kleine, auf billigstem Schlabberpapier gedruckte Fernsehprogramm-Beilage unserer Tageszeitung.
Das war in den 80ern und 90ern. Als man noch auf Papier las und man sich das Programm noch nicht selbst netflixte. Was wann lief, fand man dort in klitzekleinen Spalten.
Nur mit der Lupe entzifferbar, während der Großteil der Seiten gefüllt war mit deprimierenden grau-beigen Anzeigen, von denen einem Senioren verkrampft entgegenlächelten.
Auf jeden Fall mit gebleachten Gebissen.
Alle fuhren Treppenlift. Auch im Magazin der gelben Engel. Senioren auf Treppenliften. Ich fand es absurd. Gab es dafür wirklich einen Markt, oder handelte es sich um gut versteckte Geldwäsche, weil sie in diesem Segment niemand vermutete?
Im Alltag sah ich diese Dinger nie. Weder bei Verwandten und Bekannten, noch bei meinen jährlichen Hausbesuchen als Sternsinger, bei denen ich wohl alle privaten Treppenhäuser unserer Stadt von der Haustür aus einsehen konnte. Enge und schmale Treppen in klitzekleinen Einfamilienhäuschen bis hin zu feudalen Prachtmamorkolossen in gebieterischen Stadtvillen.
Dabei sang ich „Gloria in excelsis Deo“ und freute mich, wie unterschiedlich der Hall eines Hauses klingen kann.
Gloohoooohhohhhoohhhhohhooohhooria
Genug Zeit, zu erkennen, dass Treppenlifte zumindest in meiner Stadt nicht existierten.
Erst der Flug von Mrs. Deagle 1984 in Gremlins Monster bewies für meine Augen die Existenz des Treppenlifts.
Okay, theoretisch bewies der Film dann auch die Existenz von süßen Mogwai-Kuscheltieren, die durch einen Schluck Wasser und etwas Mondlicht zu gehässigen Gargoyles mutierten. Ich wusste aber schon zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden.
Die Monster waren frei erfunden. Aber der Treppenlift, der war echt.
Treppenlifte existierten also nicht nur auf schlabbrigem Papier. Von nun an stellte sich mir allerdings die Frage, ob diese Höllenmaschinen wirklich dem Menschen dienen. Ich befürchtete eher, dass der sowieso schon gezeichnete ältere Mensch mit schmerzenden Beinen und gekrümmtem Rücken noch mehr malträtiert wird von diesen Robotern in Stuhlform. Wohlmöglich ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, die dann und wann versagt, stehen bleibt oder – SWOOSH – meine Oma aus dem Dachfenster Richtung „dunkle Seite des Mondes“ katapultiert.
Die Faszination Treppenlift schlummerte seitdem in meinem Unterbewusstsein und wurde jäh geweckt, als ich Ende der 90er Jahre im Zivildienst wöchentlich Herrn Bromsacker zur Dialyse abholen musste. Ich war pünktlich … seine Frau öffnete pünktlich. Herr Bromsacker war pünktlich. Aber leider noch auf der falschen Etage. Es dauerte jede Woche gefühlte zwei Stunden, bis er vom zweiten Stock in seinem knarzenden Sitzlift der Marke Kolonialzeit bis zur Haustür ruckelte. Eine wahnsinnige Geduldsprobe für ein 19-jähriges Mitglied der Generation „Party“. Während der Fahrt hatte Herr Bromsacker immer noch genug Zeit, die liebenswerte Frau Bromsacker mit seinen gesammelten Werken an Lebenshass zu überschütten.
Bevor ihr die Tränen kullerten und ich mit meinen Gedanken enden konnte, ob ich wirklich so sozial sein wollte, ausgerechnet diesem cholerischen Mistsack zu helfen, erreichte er die letzte Stufe und blaffte mich an, was es da so zu glotzen gäbe. Ich glaube bis heute, dass er nicht mal Pflegestufe 1 war und alles nur inszeniert hat, damit man sich um ihn kümmert. Das hätte ohne optisch ersichtliche Hilfsbedürftigkeit nämlich vermutlich kaum einer getan.
Ich habe den Zivildienst überlebt und es gab auch sehr viele dankbare und nette Senioren. Aber mein emotionales Verhältnis zum Treppenlift blieb schlecht bis maximal ambivalent. Entweder es gab sie nicht, sie schossen nette Omis in den Orbit oder sie kutschierten den Teufel persönlich ins Erdgeschoss, auf dass er selbiges in eine Gluthölle verwandelte.
Immerhin schien es für Tiere formschöne Lösungen zu geben, die einfach das tun, was sie sollten.
Wieder schlief das Faszinosum Treppenlift für 20 Jahre in meinem Hippocampus. Ich sah die Dinger nie. Doch Firmen wie Hiro, Lifta oder ThyssenKrupp bereiteten sich bereits vorausschauend auf die kommenden Babyboomer vor. Millionen von Senioren, die schon bald das manchmal krumme Rückgrat unserer Gesellschaft bilden würden. Stolze Mitglieder der Rentnerrepublik, die ihr hart erarbeitetes Häusle auch bis zum letzten Atemzug in allen Etagen nutzen wollten. Und die Pflegekasse der Krankenkasse beteiligte sich sogar an der Zeche.
Leider bekam ich von all der Innovation nichts mit. Für mich bedeutete Treppenlift weiterhin:
„schwarze Katze läuft am Freitag, den 13., von links nach rechts unter einer Leiter durch.“
Da vibrierte plötzlich mein Smartphone.
Mein Vater: „Hömma Sohnemann. Die Mudda kommt die Trepp‘ nimmi runna. Die sitzt jetzt schon seit zwei Wochen da oben fest. Nit, dat dat nit auch Vorteile hätt. So ruhig waret hier unne noch nie. Awwer isch han ooch kej Lust der immer allet hoch zu schleppen bis unners Dach. Dau kannst doch gut mit’m Internetz. Kannscht mol gucken, wat ma da machen kann? Ich muss Schluss machen, die gibt schon wieder Signal mit Opas alter Tuba. Dass die überhaupt noch die Luft dafür hat … Meld dich. Tschö.“
Hellgrell blitzten die Bilder aus Gremlins auf. Das hasserfüllte Gesicht Herrn Bromsackers lachte dazu und ich malte mir in schwärzesten Bildern aus, wie meine eigene Oma durch ihre Nachbarschaft katapultiert wurde, um ausgerechnet in der Rosenhecke von Herrn Wiedepütsch zu landen. Dem Menschen, den sie von allen Menschen, es gibt ca. sieben Milliarden, wohl am allerwenigsten leiden konnte.
Das Thema Treppenlift war wieder da. Nah. Ganz nah. Und ich … getriggert im Helfersyndrom … sagte: „Paps, macht Euch keine Sorgen. Ich kümmere mich drum. Nun kann ich endlich etwas zurückgeben. Ich meld mich …“
Meine Schläfen pochten. Schweißperlen standen auf meiner Stirn. Warum habe ich das versprochen? Konnte ich mein Treppenlift-Trauma nicht irgendwie umgehen und eine andere Lösung finden, wie Mama wieder bequem die Stockwerke wechseln konnte.
Aus bekannten, flügelverleihenden Gründen trank ich eine Dose Energy und schon poppten erste Ideen vor meinem inneren Auge auf:
Nachdem die beflügelnde Wirkung nachließ und mein Vater meine erste Ideen-Mail mit „Vielleicht sollten wir doch ein paar Mark ausgeben“ kommentierte, ging ich konzentrierter an die Sache und vermutete, dass er Euro meinte.
Aber wie umgehe ich die Bestellung eines überteuerten Treppenlifts aus der L-TV, der in meinen Augen doch nur Unheil, Ehekrisen und ganz viel Beige mit sich bringt? Am Ende des Tages wollte ich nicht Teil des organisierten Verbrechens werden. Womöglich Opfer einer Branche, die sich an der Gebrechlichkeit alter Menschen bereicherte?
Also wie? Na klar. D – I – Y. Hab Vertrauen in „Selber bauen“.
Ich recherchierte kurz die Optionen: Rollstuhllift, Senkrechtlift, Plattformlift, Hublift, Sessellift, Facelift … Viel zu verwirrend. Ich entschied mich, das Rad einfach neu zu erfinden.
Zwei Dosenbier später, ohne Skizzen und Konstruktionspläne fuhr ich zum Baumarkt; Singing Ya Ya Yippieyieppiyey. Nicht mal vier Stunden und acht Bier später blickte ich stolz auf das Vehikel, das Oma zurückholen wird. Ich simulierte sie mit einem Gewichtsdummy, der gleichzeitig ihr Gemüt ganz gut darzustellen vermochte:
Natürlich testete ich das Ergebnis auch aus Ihrer Perspektive. Jede einzelne Fahrt würde Wogen von Wonne durch ihren Körper fließen lassen. Ein spektakulärer Joyride. Möglicherweise könnte ich meine Baukosten sogar wieder reinholen, wenn Sie pro Fahrt ein Ticket löste.
Natürlich zum ermäßigten Seniorentarif mit Famlienangehörigen-Bonus.
Ich schickte Vater das Ergebnis inkl. Aufbauanleitung per Post quer durch Deutschland und sonnte mich schon mal im schummrig-warmen „bester Sohn der Welt“-Scheinwerfer. What a feeling.
Vater stand zwei Tage später mit dem Paket vor der Tür. Lobte mich, dass ich es ja gut gemeint hätte, dass mir aber dennoch der ein oder andere Kniff fehlte, den er mir wohl damals nicht beigebracht hätte. Ich musste zugeben, unser gemeinsames Ergebnis schlug meinen Rollercoaster dann um Längen. Vater simulierte Mutter für die Probefahrt und wir waren uns sicher, nach der Mondlandung würde die Menschheit ein zweites Mal den Atem anhalten. Father and Son. Oma würde vor lauter Liebe zu ihrer Lenden Frucht die Tränen in Bächen die Wangen hinablaufen.
Doch eine Woche nach Vaters Rückkehr rief meine Mutter an.
Ob wir Oma komplett verhohnepipeln wollen, ob ich noch länger ihr Sohn sein wollen würde und ob ich schon mal was von Aufmaß und/oder Verantwortungsbewusstsein gehört hätte. Nicht zuletzt sei unsere Konstruktion wohl eher ein Plattformlift für Rollstühle. Oma könnte aber noch prima laufen, nur eben keine Treppen.
Ich kochte innerlich, versprach aber, mich einzulesen, und erkannte, dass Mutters hoher Anspruch vielleicht einen Funken Wahrheit in sich trug. Ich merkte, dass unser „schwebender Thron V1“, wie wir ihn liebevoll nannten, in Muttis Augen vielleicht schlimmer war als ein professionelles Gerät in Sienna-Braun-Beige. Denn das hätte, und das war ihr Totschlagargument, eine TÜV-Plakette und ein GS-Prüfsiegel.
Vater gab sofort auf und fand sich schon, nicht ganz uneigennützig, damit ab, dass Oma den Rest ihres Lebens im Dachgeschoss verbringen würde. Mutter grollte. Ich musste es also selber schaffen. Ich wollte es schaffen. Gut und günstig. Sicher. Und vor allem allein. Meine Heimwerkerlehre musste unbedingt verteidigt werden. Gegen Mutti. Für Omi. Ich mach es fertig, bevor es mich fertig macht.
Vater schickte mir zwar noch seiner Ideen:
Ich spürte aber, dass er mit dem Thema bereits abgeschlossen hatte. Außerdem waren seine Ideen wohl eher Außenlift Varianten. Ich vermutete, er nahm die Sache nicht mehr für voll und genoss seine friedlichen Tage im Erdgeschoss.
Ich fing noch mal bei Null an. Ich wollte nicht nur einen Treppenlift. Ich wollte die Treppenlift-Revolution. Was, wenn die unüberwindbare Treppe selbst in Bewegung geriet, sodass Omi immer nur einen Schritt nach vorn machen musste und dann von magischer Hand eine Stufe emporgehoben wurde? Es wäre gar kein klassischer Treppenlift nötig.
Ich experimentierte und ließ die Gesetze der Physik gandalfmäßig nach meiner Kräuterpfeife tanzen.
Es funktionierte phänomenal. Im Modell eins zu zehn. Es scheiterte leider bei der Umsetzung im Treppenhaus meiner Eltern. Der Nachkriegsbeton erwies sich als äußerst widerstandsfähig. Ich vermutete, man baute das Treppenhaus damals gleichzeitig als Luftschutzbunker falls sich der kalte Krieg erhitzte. Aber außer, dass sie jetzt erst einmal gar keine nutzbare Treppe mehr hatten, konnte ich nicht viel bewirken, ohne der Statik des Hauses allzu viel Akrobatik zuzumuten.
Auch der nächste Vorschlag kam nach dem ersten Bauvorhaben nicht gut an. Keiner zuhause wollte ein Loch vom Dachgeschoss durch Mutters Schlafzimmer in Vaters Hobbyraum. Ein weiteres Argument gegen meine „Flying Aquarium“-Idee war Omis ausgeprägte Angst vor engen Räumen. Ein Problem, das die Chinesen eventuell seltener hatten. Da sich der geschmeidige Chinese im selben Raum wohl weniger beengt fühlte als der überdimensionierte Europäer.
Wie konnte ich also die klassische Idee vom Treppenlift, die man sich offensichtlich zu Hause wünschte, erhalten und trotzdem ein Vielfaches an Komfort & Sicherheit integrieren, die der „schwebende Thron V1“ noch nicht vollständig bieten konnte? Und das ohne Finanzierung, Zuschüsse o.Ä.? Denn ich hatte sicher nicht den Nerv, mich neben der Entwicklung der Treppenlift-Revolution auch noch mit Krankenkassen und Förderkrediten rumzuschlagen.
Ich überlegte wochenlang, Tag und Nacht, fieberhaft. Doch erst als ich losließ und genüsslich prokrastinierte, kam der Durchbruch. Ich kaufte aus lauter Langeweile ein gebrauchtes Gummihuhn für meinen Border Collie Lanzelot über Online-Kleinanzeigen. Da machte es „Klick“ bzw. Doppelklick.
Na klar. Patchwork! Gut und gebraucht war besser als neu, teuer und mit rasantem Wertverlust. Was für Autos galt, konnte für Treppenlifte nicht verkehrt sein.
Bingo! Kleinanzeigen, du bist mein Freund. Fünf Minuten später bin ich stolzer Besitzer eines ausrangierten Sitzlift. Für schmale $299 fand ich dieses fast neue Modell in Kentucky, USA. Tragkraft 120 kg. Das reichte für Oma inkl. ein bis drei Katzen.
Die Grandma des Vorbesitzers war auf ihrer letzten Fahrt zu Tal friedlich darin eingeschlafen, weshalb ich nochmal 80$ Rabatt raushandeln konnte. Nur knapp acht Wochen später rief mich der Zoll in Hamburg an. Es war der kälteste Januar seit Jahren. Bei ihnen sei ein Haufen beige-grauer Metallmasse mit zwei Knöpfen angekommen. Für ein paar Euro Einfuhrsteuer könnte ich ihn binnen der nächsten sieben Tage abholen, sonst bekäme es der Schrottkünstler-Neffe der Frau des Zollbeamten-Kollegen Petersen.
Ich also Thermoskanne voll Mate-Tee, chillige Mucke an und ab mit meinem Bulli nach Hamburch.
Während der Fahrt dachte ich viel daran, warum man so’n Treppenlift nicht einfach mieten kann. Manche Leute mieten sich sogar Kunst. Oder Leasing …
Bei jeder zweiten Raststätte riss mich Lanzelot aus meinen Gedanken. Ich hatte meinen Dosenbiervorrat unterm Beifahrersitz vergessen und merkte nicht, wie Lanzelot sich geschmeidig einen an die Laterne lötete. Ein Wunder, dass er trotzdem noch zivilisiert das Pissoir nutzte. Oder gerade deswegen? Guter Junge.
Wir kamen aber zeitig an, bevor der Schrottkünstler seinen gierigen Krallen auf Omis fliegenden Glücksdrachen legen konnte.
Mit dem sogenannten Sitzlift aus Übersee im Bus ging es frohen Driftes zurück. Schon während der ruhigen Heimfahrt gelang es mir, mit dem Laptop auf dem Beifahrersitz eine TÜV-Plakette zu … sagen wir … nachzuempfinden. Für Mutters Kurzsichtigkeit würde es sicher reichen.
Papa hat dann doch noch mal geholfen und mir ne Aluschiene aus dem Baumarkt besorgt. Während ich mich durch den Eiswind kämpfte, schien bei ihm zum Glück die Sonne. Er konnte mit offenen Fenstern fahren.
Für uns kam für den gebrauchten Innenlift nur Wandmontage in Frage. Kein Einbau am Treppengeländer. Opa würde sich im Grab rumdrehen, wenn wir einen Lift an sein handgeschmiedetes Geländer im Stil „Panzerstahl Barock“ gelötet hätten.
Damit meine Eltern keine Angst vor meinem erneuten Arbeitseinsatz mit Krawall, Trümmern und Asbestablösung hatten, schickte ich ihnen vorab ein Video, wie ich vorgehen würde. Ich war mir sicher, zumindest Vater, den größten „Zurück in die Zukunft“-Fan diesseits des Atlantiks, ins Boot zu holen. Er würde schon die Anderen überzeugen, dass dieses Mal alles sauber blieb.
Sie meinten, dass ich aussähe wie ein Volldepp oder zumindest wie Jordie LaForge vom Raumschiff Enterprise. Aber wenn das nötig wäre, sei es ihnen egal, wenn der Lift dann am Ende so aussehen würde wie in meinem Film.
Ich besaß zwar eine VR-Brille, um süße Hundewelpenvideos in 360° zu schauen, aber das Hologramm-Projektions-Equipement fehlte mir natürlich. Damit es nicht wieder ein Desaster würde, wollte ich dennoch strategischer als beim letzten Mal vorgehen.
Ich baute erst einmal ein Modell
Es funktionierte phänomenal. Der Triumph war nah. Das Telefon klingelte. Ich sollte mich beeilen. Oma müsste jetzt doch langsam dringend auf Toilette. Sie sähe nicht mehr ein, Vaters (der Apfel fällt nicht weit vom Stamm) selbstgebaute Latrine im Dacherker zu nutzen.
Parallel meldete ich Oma schon mal für’s nächste Treppenlift-Rennen an. Ich wusste, mein Stuhl würde schnell werden. Und Oma, wenn sie denn genug Hunger hatte oder dringend auf Toilette musste, würde den Stuhl voll ausfahren. Auch in den Kurven. Irgendwoher mussten meine Driftkünste ja kommen. Die Finalisten der letzten Meisterschaft, wenn auch verdammt schnell, sollten auf jeden Fall schlagbar sein.
Oma war einverstanden. Hauptsache, sie bekäme dann jetzt auch endlich den Lift. Sie meinte, wenn alles klappte, könnte ich damit vielleicht reich werden. Sie hätte in der „Apotheken Rundschau“ gelesen, dass bereits jeder fünfte Ü50er Probleme mit dem Treppensteigen, aber kaum Angst vor einem Treppenlift hätte.
Also den „guten gebrauchten“ und all mein Werkzeug in den Bulli und ab zu Oma.
Bereit Lanzelot? Ja?
Diese Fahrt lief reibungslos. Lanzlot musste nicht einmal pinkeln. Stundenlang furen wir durch unser schönes Land, bis die Sonne sank. Das montone Röhren des Bullis versetzte mich in tagträumerische Visionen. Ich sah den fertigen Lift vor Augen. Die Beats von Drake aus dem Kassettendeck verbanden sich mit Omas erster Fahrt. Sie sah 30 Jahre jünger und sehr zufrieden aus. Alles passte.
Diese Geschichte würde soooo gut ausgehen
72 Stunden später. Das Teil war installiert. Alles funktionierte. Meine erste Probefahrt war großartig. Nun testete erst mal Paps, bevor wir Mutter und dann Oma fahren ließen.
Ich fand seine Fahrt großartig und ich glaubte, er war mächtig stolz auf mich. Nur die Reaktionen der Nachbarskinder konnte ich nicht ganz nach nachvollziehen. War mir etwas entgangen?
Egal. Er war zufrieden und gab den Stuhl weiter. Ich wusste, dass Paps ihn abfeierte. Das war eigentlich klar. Wir waren doch vom selben Schlag. Aber nun kam Mutti dran. Der größte Kritiker auf diesem Planeten. In allen Belangen. Sie fuhr und … flippte aus.
Völlig gaga
Wir dachten schon, das war’s. Wir können wieder abbauen. Irgendwas stimmte mit dem Lift nicht. Aber zum Glück zeigte Mutter wahre Größe. Sie gestand, seit geraumer Zeit heimlich Lachgas aus Sahnepatronen in der Küche zu inhalieren. Ihr kleines privates Glück seit Vater sich mehr mit Bierdeckeln aus aller Welt als mit Ihr beschäftigt. Kurzum: Sie fand die Testfahrt galaktisch und würde in Zukunft sehr gerne Sahnekapseln und Lift kombinieren, wenn Vater im Keller seine Sammlung sortierte.
Der Moment der Wahrheit war gekommen
Wir erzählten Oma nichts von all den Testfahrten und schickten ihr den Lift rauf unters Dach. Erst mal passierte lange Zeit nichts. Auf unser Rufen, ob alles OK sei, kam die Antwort prompt: „Es hat euch jetzt drei Monate lang einen Scheißdreck interessiert, dass ich hier oben verschimmel. Dann gebt mir jetzt wenigstens noch fünf Minuten, dass ich in Ruhe dafür beten kann, dass mein nichtsnütziger Enkel und mein verkorkster Sohn wenigstens einmal im Leben ein paar helle Stunden hatten und dieses hässliche stinkende Gefährt halbwegs funktionstüchtig angedengelt haben.“
Vater und ich lächelten uns an. Und Zapperlot. Keine 30 Minuten später kam sie angeschwebt. Das Matriachat ließ sich zum Pöbel herab. Etwas unruhig summte der Elektromotor, aber er lief. Mein Herz schwappte mir über. Ich warder glücklichste Enkel der Welt.
Was für eine stolze Frau. Sie sah so zufrieden aus. Sie lachte.
Der Adler war gelandet. Doch meine Oma wäre nicht meine Oma, wenn ihr Stimmung nicht binnen Sekunden wechseln könnte. Ihr Urteil war vernichtend:
Und wenn ich ihr jetzt nicht sofort einen modernen und schnellen Treppenlift besorgte, würde sie mir etwas Blei in den Allerwährtesten pumpen. Vater zeigte mir ein Video vom vorletzten Urlaub auf seinem Smartphone und riet mir, die Drohung ernst zunehmen.
Also gut Oma. Aber konntest Du es genauer beschreiben? Modern und schnell. Das konnte alles sein. Ich musste das Gefühl kennen, dass Du Dir gewünscht hast. Wie fühlte sich die Fahrt an in deinem idealen Lift … Sie konnte es einfach nicht in Worte fassen. Schickte mir nach ein paar Tagen aber diesen Link:
… und ich erkannte wie weit mein Gebraucht-Modell „Lahmarsch 3000“ meine moderne Omi unterforderte.
Dieses Mal war es Vater, der von einem Geistesblitz getroffen sofort in die Garage rannte, um schon zehn Minuten später seine Idee für mehr Schubkraft zu präsentieren.
Ich aber gab es an dieser Stelle auf, zu basteln, und freundete mich mit dem Gedanken an, versagt zu haben.
Ich lieh mir die Karre von einem Kumpel und machte einen letzten Speedtest mit Oma, um herauszufinden, wo ihr oberes Limit lag …
Dann tat ich endlich das, was ich am Anfang dieser Geschichte hätte machen sollen. Ich googelte: „professioneller Treppenlift, Kurven, sicher, flott, Zuschüsse, Finanzierung, Pflegestufe 2, neu oder gebraucht, Montage durch Fachmann, lange Laufleistung.“
Nach wenigen Klicks landete ich bei RocketLift.de
Ich nutzte den Treppenlift-Generator auf der Seite und der Rest ging wie von selbst.
Ich bekam Modellvergleiche, flexible Preisgestaltungen, Hilfe mit Krankenkassen-Anträgen,Finanzierung über die KfW und transparente Kostenvoranschläge, Leasing- und Mietangebote. Ein Experte beriet mich in Sachen Montage und gab bis zu 5 Jahre Garantie.
Was soll ich sagen. Kaum 5 Tage später wurde montiert. Oma war endlich glücklich und tanzte mit meiner neuen großartigen Freundin, die ich kennenlernen konnte, weil ich dank der Treppenliftagentur endlich wieder Zeit für MEIN Leben hatte.
Und da Sie nicht gestorben ist, fährt sie auch noch heute.
Pssssst. Noch ein letzter Hinweis.
Man teilte mir sehr diskret mit, dass im Falle eines Falles, das gebrauchte Gerät vom Hersteller zurückgekauft werden kann.
Wer sagt’s denn. Happy End in jedem Fall.